Vor drei Jahren gab es zum ersten Mal mehr Studierende als Auszubildende. Die Folge? In immer mehr Berufen herrscht Fachkräftemangel, durch die demographische Entwicklung wird die Situation zusätzlich verschärft. Was können Unternehmen tun, um nicht bald ohne Nachwuchs dazustehen? Das erfahren Sie in diesem Beitrag sowie in der aktuellen Podcast-Folge mit Philipp Erik Breitenfeld, Keynote-Speaker und HR-Experte für die Vermittlung von osteuropäischem Fachpersonal.
Ob Handwerk oder Vertrieb: Nachwuchs verzweifelt gesucht
Mein Gesprächspartner Philipp Erik Breitenfeld bringt es sehr gut auf den Punkt: „Der Meister hat zwar noch Ehre – jedoch keine Spieler mehr, die diese Ehre auf dem Spielfeld umsetzen!“ Heute gibt es rund 60.000 Betriebe, die bald dicht machen werden, weil sie keinen Nachfolger gefunden haben. Das müssen Sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Und es ist ja nicht so, als würden Handwerker im Zuge der Digitalisierung nicht mehr gebraucht werden. Versuchen Sie mal einen Termin bei einem Elektriker oder SHK-Fachmann zu bekommen. Eine Wartezeit von mehreren Wochen ist nicht selten, weil die Betriebe unter starkem Fachkräftemangel leiden und einfach nicht mehr genug Manpower haben, um die Auftragsflut zu bewältigen. Eigentlich eine traumhafte Ausgangssituation, wenn sich denn junge Fachkräfte finden ließen.
Und es ist bei weitem nicht nur das Handwerk, das vom demografischen Wandel direkt betroffen ist. Bereits vor 10 Jahren rangierten Vertriebsmitarbeiter auf Platz drei der meistgesuchten Spitzenkräfte, hinter Handwerkern und Ingenieuren. Und was hat sich in den zehn Jahren getan? Gefühlt gar nichts. 40 Prozent der heutigen Studienabgänger finden keinen Job in dem Bereich, in dem sie studiert haben. Doch in Handwerk und Vertrieb herrscht trotzdem Fachkräftemangel. Natürlich könnten wir jetzt auf die Politik und die Wirtschaft schimpfen – doch damit ist keinem geholfen. Hier sind wir als Unternehmer selbst gefordert!
Fachkräftemangel: Höchste Zeit, dass Sie sich auf die Bewerber einstellen
Haben Sie in der letzten Zeit mal einen Blick in Jobbörsen geworfen? Ich finde es unglaublich, was für ein langweiliger Einheitsbrei sich den Bewerbern dort bietet. Nichts als hohle Floskeln. Fast alle Unternehmen versuchen, sich mit Zahlen, Daten und Fakten zu ihrer Company zu übertrumpfen. Und dann gehen schon die Forderungen los. Im Grunde hätten die meisten am liebsten Kandidaten, die bei jahrelanger Erfahrung maximal Anfang Zwanzig sind und für weniger als den Mindestlohn arbeiten. Überspitzt gesprochen natürlich. Doch mit dieser Einstellung ist es kein Wunder, wenn echte Talente an euch vorbeigehen! Hier müssen sich Unternehmer an die eigene Nase fassen. Und sich in Sachen Employer Branding endlich ins Zeug legen. Fragen Sie sich nicht nur, was Ihr Wunschkandidat alles draufhaben sollte – sondern auch, was Sie ihm bieten können.
Hire for attitude, train for skills
Philipp Erik Breitenfeld hat mehr als 15 Jahre Erfahrung als Vermittler von osteuropäischem Fachpersonal in die deutsche Handwerks- und Baubranche. In unserem Gespräch ist er unter anderem auch darauf eingegangen, wie wichtig das Thema Mindset ist. Was bringt dir ein top ausgebildeter Mitarbeiter, wenn er nicht motiviert ist und nicht in deine Company passt? Ich bin inzwischen seit gut 30 Jahren selbstständig und habe gelernt, dass Zeugnisse nicht alles sind. Nur weil ein Bewerber ein Mordsautoverkäufer ist, heißt das noch lange nicht, dass er auch ein Händchen für Strom hat. Und selbst wenn die Kandidatin in ihren Empfehlungsschreiben zum Himmel gelobt wird, möchte ich sie nicht in meiner Mannschaft haben, wenn sie sich zu schade ist, auch mal den Müll rauszubringen. Ich halte es mehr denn je nach dem Motto: „Hire for attitude, train for skills“. Das Fachwissen kannst du nachschulen – die Einstellung bekommst du nicht mehr verändert! Dementsprechend kann ich Ihnen nur dazu raten, in Zeiten des Fachkräftemangels nicht mehr nach dem letzten Einhorn zu suchen. Sondern stattdessen lieber zu schauen, wie Sie das Beste aus den Leuten machen, die Sie bekommen können und die das nötige Potenzial haben.
Last, but not least daher meine Umsetzungsaufgabe für Sie: Schauen Sie bitte mal genau hin. Wie ist die demographische Lage in Ihrem Unternehmen? Sind Sie darauf eingestellt, dass Leistungsträger bald in Rente gehen? Haben Sie vorgesorgt oder ist es jetzt höchste Zeit, zu handeln?
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und Glück auf!
Ihr Martin Limbeck