Eine Inflation gehört zu dem Schlimmsten, was eine Volkswirtschaft erleben kann. An die Inflation in Deutschland um das Jahr 1923 erinnert sich naturgemäß heute niemand mehr. Doch die historischen Lehren können wir trotzdem ziehen: Geschäft wird es trotzdem geben. Wie können sich Verkäufer darauf einrichten und sich den immer härteren Forderungen des Einkaufs von Preisnachlässen widersetzen?
2023 wird das Jahr der Wahrheit
Genau 100 Jahre nach der Inflation von 1923 werden wir im kommenden Jahr die Rezession deutlich spüren – wer noch daran zweifelt, wird sie in den Bilanzen sehen. Ohne Frage: Das Jahr 2023 wird ein sehr spannendes Jahr. Vor allem wird wichtig, was Unternehmen aus den gestiegenen Preisen und dem erhöhten Sparzwang auf allen Seiten schließen: In meinen Augen werden wir uns warm anziehen müssen vor allem in Bezug auf das Thema Preispolitik.
Schon jetzt reduziert sich der Konsum massiv. Kaufentscheidungen von Verbrauchern und auch Investitionsentscheidungen von Unternehmen stehen unter dem Eindruck der steigenden Kosten. Immer mehr Menschen und Organisationen halten ihr Geld zurück. Was für mich bedeutet: Künftig sollten Unternehmen vor allem die Marge im Blick haben, nicht unbedingt nur den Verkaufspreis.
Die anstehenden Preiserhöhungen lassen sich bald nur noch begrenzt durch steigende Kosten für Energie und Rohstoffe begründen. In sämtlichen Bereichen werden sich Verkäufer auf härtere Verhandlungen vorbereiten müssen. Also: Wo liegt der ideale Preis, sodass Anbieter noch immer eine Marge haben, von denen sie ihr Unternehmen am Laufen halten können?
Preisverhandlung in Zeiten der Inflation
Alle diese Dinge werden – so meine Prognose – im Jahr 2023 zum wichtigsten wirtschaftlichen Thema hierzulande. In normalen Zeiten lässt sich das Thema Preisverhandlung im Verkauf locker behandeln, doch zurzeit erleben wir eine extreme Ausnahmesituation und müssen trotzdem unsere Preise möglichst oben halten.
Dass der Einkauf Nachlässe fordert, ist klar angesichts der steigenden Preise. Die Abschlagszahlung für Gas bei Privathaushalten vervierfacht sich – und rund 2200 Euro sind für eine alleinerziehende Mutter mit Sohn einfach zu viel. Wie ich höre, soll eine Berliner Praxis für Radiologie mit hohem Energieverbrauch statt 4000 Euro Abschlag pro Monat nun 16.000 Euro für den Strom bezahlen. Verkaufen Sie dieser Praxis jetzt mal Ihr Produkt zum gewohnten Preis. Wir im Verkauf brauchen jetzt vor allem ein dickes Fell.
Geschäfte wird es immer geben
Da hilft eine grundsätzliche Überlegung: Auch in Zeiten einer Inflation wird es immer Geschäfte geben. Und auch da gilt: Am Markt bestehen die, die verhandeln können. Aus meiner Sicht ist dabei wichtig:
- Lassen Sie im Verkauf niemals Verlustangst aufkommen. Diese Angst spüren Ihre Mitmenschen und damit auch Ihre Kunden. So signalisieren Sie im Grunde nur, dass Sie im Preis noch weiter runtergehen. Tun Sie es bitte nicht.
- Achten Sie darauf, dass Sie Preisverhandlungen über längere Zeit entspannt führen können. Gerade diese Kompetenz geht derzeit vielen Verkäufern verloren. Ob es dabei um einzelne Termine geht – welcher Verkäufer bleibt schon über eine Stunde hinweg bei seiner Zahl? – oder um Verhandlungsprozesse, die sich über Wochen hinziehen.
- Verkäufer sollten den Blick des Kunden immer wieder aufs Preis-Leistungs-Verhältnis lenken. Es gibt keinen Grund, für ein gutes Produkt zu wenig zu bezahlen.
- Weil der Einkauf viele Argumente des Verkaufs nicht mehr akzeptieren wird, brauchen Unternehmen und ihre Verkäufer eine Strategie, um kontinuierlich aus einer Position der Stärke heraus zu verhandeln.
Um diese Dinge geht es in meinen Augen kommendes Jahr. Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und einen guten Rutsch – und halten Sie die Ohren steif.
Ihr Rolf Bielinski